Geschichte der Steinwaldmusikanten Pullenreuth

(aus der Festschrift anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Steinwaldmusikanten Pullenreuth, geschrieben von Lothar Scharf)

Die Blasmusik hat in Pullenreuth eine lange Tradition. Bereits vor dem 1. Weltkrieg war mündlicher Überlieferung zufolge eine Kapelle existent. In den 20er Jahren bestanden sogar zwei Kapellen, nämlich die sogenannte „Birnerer-Kapelle“ (Blaskapelle Schinner) und die Kapelle des Burschenvereins. Diese Formationen umrahmten vor allem kirchliche Feste im Jahreslauf, z.B. die Fronleichnamsprozessionen, spielten bei Beerdigungen ebenso wie bei weltlichen Festen. Zur Kirchweih und zu Fasching spielten Untergruppen der Kapellen auch zum Tanz in den örtlichen Wirtshäusern auf. Bei diesen Anlässen wurde oft in Streichbesetzung gespielt, das heißt mit Geigen, Bandonium und Streichbass.

Mit dem Kriegsbeginn 1939 zerfiel zwangsläufig die Kapelle, da die meisten Musikanten nach und nach zum Militärdienst einberufen wurden.

Nach Ende des 2. Weltkrieges dauerte es bis ca. 1950,  bis es wieder zu einer aktiven Blaskapelle kam. Hans David aus dem Ortsteil Dechantsees sammelte teils erfahrene Musikanten der Vorkriegszeit um sich, teils lernte er auch neue Kräfte an, um daraus wieder eine Blaskapelle zu formen. So wurde eifrig geprobt - meist bei Kamerad David in der geräumigen Küche seines Wohnhauses „Am Hammer“ -, um für den ersten öffentlichen Auftritt auch gut vorbereitet zu sein. Zum Muttertag am 13. Mai 1950 war es dann so weit. Bei einem Pfarrfamilienabend im Weißsaal spielte die neu formierte Pullenreuther Blaskapelle zur Unterhaltung auf. Das Repertoire bestand ausschließlich aus Marsch, Polka, Walzer, Ländler. Anfangs waren es oft nicht viel mehr als zehn verschiedene Titel. Sie reichten zur damaligen Zeit sogar aus, um zum Tanz aufzuspielen!

Als im selben Jahr das 200-jährige Bestehen der Pfarrkirche begangen wurde, war es neben dem Gesangverein Pullenreuth auch die Blaskapelle, die diese Feierlichkeiten musikalisch mit umrahmen musste. Besonders für den Empfang des H. H. Weihbischofs Hiltl, der aus Anlass des Kirchenjubiläums in Pullenreuth weilte, wurde ganz besonders eifrig geprobt, um den hohen Gast nicht mit Misstönen zu vergrämen. Eines der ersten Ständchen dürfte anlässlich der Hochzeit des jungen Posaunisten Richard Ritter 1952 zu hören gewesen sein. Von einem weiteren Empfang ganz anderer Art, bei dem auch die Blaskapelle Pullenreuth gefordert war, wusste Gottfried Heinl aus Höll zu berichten:

„Einem Kriegsspätheimkehrer wollte die Gemeinde Pullenreuth im Jahre 1953 einen gebührenden Empfang bereiten. Zum Willkommensgruß von Bruno Walter, der in Neusorg mit dem Zug angekommen war, hatten sich die Bevölkerung, Bürgermeister und Blaskapelle oberhalb des Anwesens „Büschl“ (Busch Alfred) versammelt, um den Rückkehrer aus der Kriegsgefangenschaft die Aufwartung zu machen. Nach der Begrüßung wurde dieser in einem Festzug ins Dorf hinuntergespielt. Dort hielt der damalige Bürgermeister Josef Weiß eine Ansprache. […].“

 

Als ca. 1955 die Trachtenkapelle Marktredwitz gegründet wurde, setzte eine gewisse Abwanderung der Pullenreuther Musikanten  nach „Rawetz“ hin ein. So waren viele Bläser  neben ihrer Tätigkeit in der Pullenreuther Kapelle auch bei den Marktredwitzern aktiv. Umgekehrt halfen bei Festlichkeiten in Pullenreuth auch die Markt-redwitzer Bläser mit aus. In jener Zeit war in der Pullenreuther Kapelle ein stetes Auf und Ab zu verzeichnen. Die einen hörten auf, die anderen versuchten ihr bläserisches Geschick neu. Durch die selbstverständliche Rotation mit Marktredwitzer Musikanten war es möglich, die anstehenden Auftritte, besonders kirchlicher Art, zu erfüllen. Ein Hochfest für das ganze Dorf war damals das Fronleichnamsfest. Es begann immer schon am Vorabend mit Pauken und Trompeten. Kaum war der letzte Ton der Glocke, die um 18 Uhr „das Gebet“ geläutet hatte verstummt, ertönte der Choral der Blaskapelle. Anschließend wurde die Prozessionsstrecke für den Fronleichnamstag mit Marschmusik abgeschritten. Nachher wurden im Gasthaus Maschauer die Prozessionsstücke eingeübt. Es lag auf der Hand, dass nach getaner Arbeit bis spät in die Nacht weiter musiziert wurde. Viele Aushilfsmusikanten aus Marktredwitz übernachteten gleich an Ort und Stelle, um am folgenden Morgen pünktlich zum Weckruf um 6 Uhr und zur Fronleichnamsprozession anwesend zu sein.

 

Im Jahre 1960 verstarb unerwartet im Alter von erst 37 Jahren Kapellenleiter Hans David. Für kurze Zeit war darauf die Pullenreuther Blaskapelle führungslos. Ein Teil der erfahrenen Musikanten hatte zudem ihr Hobby aufgegeben. Vom alten Stamm blieben nur mehr wenige übrig: Bayerl Josef, Köstler Georg, Linhard Josef, Philbert Otto, Ritter Richard. Für den weiteren Bestand der Kapelle waren junge Kräfte notwendig. Diese Erkenntnis wurde schließlich im Gasthaus Rosenberger in Harlachberg in die Tat umgesetzt. Maßgeblichen Anteil für diesen Neuanfang der Blaskapelle Pullenreuth hatte der Wirt Josef Rosenberger persönlich. Er spielte seit einigen Jahren Trompete und war zur Mitwirkung bereit. Bald waren sechs junge Burschen gefunden, die zum Erlernen eines Blasinstrumentes gewonnen werden konnten. Es waren dies: Becher Erwin (Posaune), Enders Werner (Tenorhorn, Begleitung), Hecht Alfons (Trompete), Hecht Alois (Waldhorn), Hecht Erwin (Basstuba) und Meier Erich (Klarinette). Für die Instrumentalausbildung engagierte man den damaligen Kapellmeister Fritz Rupprecht aus Waldershof.
Geprobt wurde in den ersten Jahren 1961/62 in der Küche im Anwesen Hecht in Arnoldsreuth. Die Proben fanden unregelmäßig statt, meist nur vor anstehenden Auftritten. Das erste Mal trat die „neue“ Pullenreuther Blaskapelle zum Vatertag (Christi Himmelfahrt) 1963 im Gasthaus Dostler („Modl“) in Bärnhöhe (Gemeinde Friedenfels) in Erscheinung. Zwischenzeitlich hatten auch die „alten Kräfte“ ihr Mittun in der neuen Pullenreuther Blaskapelle signalisiert. Die Nachfolge des verstorbenen Kapellenleiters Hans David übernahm der erfahrene Militärmusiker Josef Bayerl („Franz-Michl“) aus Harlachberg. Er selbst spielte das Tenorhorn. Der erste innerörtliche Auftritt war zur Fronleichnamsprozession im Jahre 1964. Die Marschschritte probten die Musikanten vor diesem Auftritt fleißig auf der Straße zum Wasserhaus in Harlachberg. Wie oft mag bei diesen Versuchen wohl der heute noch bekannte Ausspruch des „Franz-Michl“ zu hören gewesen sein, der da lautete: „Da geht einem ja der Hut hoch!“.

Durch das zahlenmäßige Anwachsen der Kapelle war ein Proben im bisherigen Stil in Privaträumen nicht mehr durchführbar. So wechselte man anfangs in die Wirtsstube des Gasthauses Rosenberger zur Probe, später auch in den Gasthof Kratzer in Dechantsees. Auch das Vereinszimmer des Gesangvereins Pullenreuth musste mitunter als Probenlokal herhalten. Spielaufträge waren damals überwiegend kirchliche Feste und Feiern, wie z. B. Fronleichnam, aber auch Beerdigungen und Festzüge.

 

Aus gesundheitlichen Gründen musste Josef Bayerl im Jahre 1976 die Leitung der Kapelle abgeben. Nach seinem Ausscheiden spielte die Musik alljährlich zu seinem Geburts- und Namenstag am 19. März ein Ständchen. Daraus entwickelte sich eine Tradition, die der „Franz-Michl“ jedes Jahr mit einem Schlachtschüsselessen, Kücheln und allerlei weiteren Gaumenfreuden zu belohnen wusste. So verstand es sich von selbst, dass in der „guten Stube“ auf engstem Raum bis spät in die Nacht Blasmusik erklang.

 

Die Leitung der Blaskapelle Pullenreuth übernahm nach dem Ausscheiden von Josef Bayerl im Jahre 1976 Kamerad Josef Linhard (Es-Klarinette). Nachdem aus der Umgebung einige Trompeter neu zur Kapelle gestoßen waren, wurden erstmals auch Feste im näheren Umkreis bespielt. Als Probenlokale dienten zunächst das Gasthaus Kratzer und später der Sitzungssaal im Rathaus Pullenreuth. Geprobt wurde nun regelmäßig alle 14 Tage. Um 1980 wurde auch eine einheitliche Kleidung bei Auftritten konkretisiert. Anfangs bestand diese aus einer langen, schwarzen Hose, einem weißem Hemd und einer geblümten Weste. Später wurde die Bekleidung um eine schwarze Kniebundhose, weiße Kniestrümpfe, einheitliche „Haferl-schuhe“, ein grünes Sakko und einen neutralen Trachtenhut ergänzt.

Ab 1982 wurde Lothar Scharf mit der Kapellenleitung betraut. Der Stamm der Musikanten wurde durch neue Kräfte verstärkt. Die Proben fanden nunmehr ausschließlich im Rathaus Pullenreuth und von jetzt an wöchentlich statt. Im Jahre 1983 gibt sich die Kapelle den Namen Steinwaldmusikanten Pullenreuth. Zwei Jahre später erfolgt 1985 der Beitritt zum Nordbayerischen Musikbund. Neben dem üblichen Spielrepertoire wird ein Schwerpunkt auf konzertante Musik gelegt. Großer Wert wird zudem einer fundierten Ausbildung der Jungmusiker beigemessen. Diese erfolgt teils durch die Kreismusikschule, teils durch erfahrene eigene Kräfte.

Die Steinwaldmusikanten besaßen bis 1984 keine vereinsmäßigen Strukturen. So existieren bis dahin auch keine schriftlichen Aufzeichnungen vom Vereinsgeschehen. Sie waren eine lose Vereinigung von Individualisten, welche die Blasmusik in Pullenreuth uneigennützig weiter pflegten. Ab dem Jahr 1983 trat eine umfassende Wandlung ein. Dies hatte zur Folge, dass sich die Kapelle nach und nach  musikalisch steigerte, ihr Repertoire ständig erweiterte und fortan ihre Zielrichtung auf Verstärkungen im Klangkörper richtete. Durch vereinseigene grundlegende Schulung und Ausbildung der gesamten Kapelle wie auch junger Nachwuchskräfte wurde dieses Ziel angesteuert. So öffnete sich die Kapelle bald über die Gemeindegrenzen hinaus und nahm auf Grund der gestiegenen Spielkultur die verschiedensten Aufträge an.